Agri-Photovoltaik (Agri-PV) bezeichnet die Kombination von Photovoltaikanlagen und landwirtschaftlicher Nutzung auf der gleichen Fläche. Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) geht davon aus, dass in Deutschland ein Potenzial von 1.700 GWp besteht. Demnach würden 4% der deutschen Agrarflächen ausreichen, um mit hoch aufgeständterten Agri-PV-Anlagen den gesamten Strombedarf Deutschlands zu decken (Fraunhofer ISE: „Agri-Photovoltaik: Chance für Landwirtschaft und Energiewende“, April 2022).
Angesichts der Anforderungen der Energiewende wurden die gesetzgeberischen Weichen gestellt, damit die Agri-Photovoltaik ihr Potenzial ausschöpfen kann. Mit dem EEG 2023 sind die Förderungsbedingungen für Agri-PV deutlicher attraktiver gestaltet worden als zuvor. Das Solarpaket I, das am 15. Mai 2024 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde, veränderte die Förderungsbedingungen nochmals. Seit Juli 2023 haben sich auch die bauplanungsrechtlichen Bedingungen für Agri-PV verbessert.
Photovoltaik-Freiflächenanlagen sind in aller Regel genehmigungspflichtige Vorhaben. So sind in Baden-Württemberg gebäudeunabhängige Solaranlagen nur bis zu einer Höhe von drei Metern und einer Gesamtlänge bis zu neun Metern genehmigungsfrei (Anhang zu § 50 Abs.1 Nr.3c LBO Baden Württemberg). Vergleichbare Regelungen gelten in anderen Bundesländern.
Eine Baugenehmigung wird nur erteilt, wenn das Vorhaben den Festsetzungen eines Babauungsplans oder – außerhalb eines Bebauungsplans – den Vorgaben gemäß §§ 34ff BauGB entspricht.
Im Regelfall wird sich die Fläche, auf der die Agri-Photovoltaikanlage errichtet werden soll, im Außenbereich befinden, d. h. es liegt kein Bebauungsplan für die Fläche vor.
Seit Juli 2023 sind PV-Anlagen, die mit landwirtschaftlicher Nutzung kombiniert werden, im Baugesetzbuch nach § 35 Abs.1 Nr.9 privilegiert.
Voraussetzungen sind:
-> Es handelt sich um eine Agri-PV-Anlage, die den Vorgaben des EEG entspricht.
-> Die Anlage steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem land- bzw. forstwirtschaftlichem oder gartenbaulichem Betrieb.
-> Die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter.
-> Es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
Über die Bezugnahme auf das EEG wird sichergestellt, dass die PV-Anlage auch die Festlegungen der Bundesnetzagentur nach § 85c EEG erfüllt. Demnach wird im Regelfall vorausgesetzt, dass die PV-Anlage im Regelfall die DIN SPEC 91434 einhalten muss (hierzu unten mehr). Es wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass die Agri-PV-Anlage tatsächlich nach dem EEG gefördert wird oder gefördert werden soll. Das bedeutet, dass auch Eigenbedarfs- oder PPA-Anlagen in den Genuss der baurechtlichen Privilegierung kommen können.
Nicht ganz einfach ist die Auslegung des Begriffs des räumlich-funktionalen Zusammenhangs zu einem Betrieb der Bereiche Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau. Keine Rolle spielt hier, wer die PV-Anlage betreibt. Wie weit die konkrete Entfernung zum Betrieb bzw. zur Hofstelle sein darf, wird die Rechtsprechung klären. Sicherlich wird auch eine Rolle spielen, ob der Strom (auch) für den Betrieb genutzt wird.
Die Flächenbegrenzung auf 2,5 Hektar ist aus Sicht der Förderung des PV-Ausbaus kontraproduktiv. Der Ertrag der Agri-PV ist ohnehin im Verhältnis zur Fläche geringer als bei Freiflächenanlagen. Folglich ist davon auszugehen, dass derartige Investitionen sich erst ab einer gewissen Fläche lohnen. Der Gesetzgeber hat hier wieder einmal die Förderung der Photovoltaik nur halbherzig umgesetzt.
Weitere Informationen zu PV-Freiflächenanlagen im Bauplanungsrecht finden Sie
hier.
Agri-Photovoltaikanlagen können in Gebieten realisiert werden, für die ein Bebauungsplan aufgestellt wurde. Das Baugesetzbuch (BauGB) unterscheidet dabei verschiedene Flächenkategorien. Freiflächen-PV-Anlagen werden in der Regel in Gebieten gebaut, die als Versorgungsflächen für Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung ausgewiesen sind (§ 9 Abs.1 Nr.12 BauGB). Es ist rechtlich zulässig, dieselbe Fläche als Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung (§ 9 Abs.1 Nr.18a BauGB) auszuweisen. Am praktikabelsten erscheint die Lösung, einen Bebauungsplan gemäß § 11 Abs.2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) für ein sonstiges Sondergebiet „Agri-PV-Anlage“ auszuweisen. § 11 Abs.2 BauNVO erstreckt sich ausdrücklich auf
„Gebiete für Anlagen, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung erneuerbarer Energien, wie Wind- und Sonnenenergie, dienen“.
Oft wird bei der Planung von PV-Freiflächenanlagen auf die Möglichkeiten des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 12 BauGB) zurückgegriffen. Dabei wird der Aufwand und die Verfahrensabwicklung dem Projektplaner überantwortet. Der Bebauungsplan kann auf diese Weise zielgenau auf die PV-Anlage zugeschnitten werden. Auf dieses Instrument könnte auch bei Agri-PV-Anlagen zurückgegriffen werden.
Bebauungspläne müssen aus dem Flächennutzungsplan entwickelt werden (§ 8 Abs.2 BauGB). Weist der Flächennutzungsplan für das betroffene Grundstück eine landwirtschaftliche Nutzung aus, so kann dies einem Sondergebiet „Agri-Photovoltaik“ im Bebauungsplan entgegenstehen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, ob die Gemeinde ein „Freihalteinteresse“ im Hinblick auf PV-Freiflächenanlagen zum Ausdruck gebracht hat. Nach § 8 Abs.3 BauGB kann der Flächennutzungsplan in einem Parallelverfahren im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungsplans geändert werden.
Darüber hinaus muss der Bebauungsplan auch den Zielen der Raumordnung entsprechen (§ 1 Abs.4 BauGB). Die Ziele der Raumordnung können im schlechtesten Fall eine Freiflächen-PV-Anlage ausschließen. Dies ist z.B. der Fall, wenn wenn regionale Vorranggebiete für Naturschutz und Landschaftspflege oder Grünzüge und -zäsuren in der Raumplanung vorgesehen sind. Es besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens zu klären, ob eine Abweichung von den Zielen der Raumplanung zulässig ist.
Ob eine Agri-Photovoltaikanlage dem Raumplanungsziel einer vorrangigen landwirtschaftlichen Nutzung entgegensteht, muss im Einzelfall entschieden werden. Allerdings muss hier beachtet werden, dass die Agri-Photovoltaik eine landwirtschaftliche Nutzung nicht nur ermöglicht, sondern auch fördert, indem die Pflanzen durch die Solarmodule gegen Witterungseinflüsse geschützt werden. Der Gemeinde wird hier die Möglichkeit zugestanden werden müssen, die landwirtschaftliche Nutzung zu konkretisieren. Die Argumentation gegenüber der Gemeinde kann erleichtert werden, wenn die Vorgaben der DIN SPEC 91434 (hierzu unten mehr) eingehalten werden und damit eine produktive Symbiose von Landwirtschaft und Photovoltaik sichergestellt wird.
Insbesondere aufgrund der Flächenbegrenzung auf 2,5 Hektar in § 35 Abs.1 Nr.9 BauGB dürfte für größere Agri-Photovoltaikanlagen die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans die schnellste und rechtssicherste Option zur Realisierung des Vorhabens sein. Im Rahmen des Aufstellungsverfahrens müssen die Vorgaben des Flächennutzunsplans und der Raumordnung beachtet werden. Anders als bei herkömmlichen Freiflächenanlagen bietet sich jedoch bei Agri-PV-Anlagen der Vorteil, dass eine Ausweisung von landwirtschaftlichen Flächen der Realisierung einer solchen Anlage nicht unbedingt entgegenstehen müssen.
Mit dem Solarpaket I aus dem Frühjahr 2024 hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Förderung von Agri-PV-Anlagen neu gestaltet.
Nach § 37 Abs.1 Nr.3a) bis c) EEG sind Agri-PV-Anlagen auf Ackerflächen, bei Dauerkulturen oder mehrjährigen Kulturen oder auf Dauergrünland möglich, soweit es sich nicht um Moorböden handelt. Das Dauergrünland darf nicht einem Natura-2000 Gebiet liegen und kein Lebensraumtyp der Richtlinie 93/43/EWG (Anhang 1) darstellen.
Eine Förderung nach dem EEG kommt nur in Frage, wenn die Agri-PV-Anlage die Vorgaben der Bundesnetzagentur nach § 85c EEG erfüllt. Entsprechende Leitlinien hat die Bundesnetzagentur am 01.01.2021 in der
Festlegung 8175-07-00-21/1 sowie am 23.01.2023 in der
Festlegung 4.08.01.01/#4 beschlossen. Demnach müssen Agri-PV-Anlagen den Stand der Technik erfüllen. Hierbei wird auf die DIN SPEC 913434 Bezug genommen. Die Norm kann kostenlos beim
Deutsches Institut für Normung bezogen werden. Dort sind genaue Maßgaben hinsichtlich des Miteinanders von photovoltaischer und landwirtschaftlicher Fläche des Grundstücks gemacht. Das betrifft Anforderungen an die landwirtschaftliche Nutzung, z.B. Flächenverlust, Bodenerosion, Wasserverfügbarkeit. Ebenso geht es um Anforderungen an die PV-Anlage, z.B. hinsichtlich Installation, Betrieb und Wartung der Anlage. U.a. wird geregelt, dass alle drei Jahre gutachterlich gegenüber dem Netzbetreiber bestätiugt werden muss, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit gemäß des Stands der Technik fortgeführt wird. Ohne diesen Nachweis verringert sich der anzulegende Wert um 2,5 Ct/kWh (§ 54 Abs.3 EEG).
Wie bei anderen Freiflächen-Anlagen unterscheidet das EEF zwischen Anlagen mit einer Gesamtleistung bis 1 MW, bei denen die Vergütung gesetzlich bestimmt wird, und Anlagen über 1 MW, die unter das Ausschreibungsverfahren fallen. Anders als zuvor wurden Agri-PV-Anlagen über 1 MW jedoch nicht in die allgemeine Ausschreibung für Freiflächen-PV integriert, sondern werden einem besonderen Zuschlagverfahren nach § 37d EEG zugeführt. Dort werden Sie allerdings nur berücksichtigt, wenn sie bei ausschließlich senkrecht ausgerichteten Solaranlagen insgesamt mit einer lichten Höhe von mindestens 0,80 Metern und sonst insgesamt mit einer lichten Höhe von mindestens 2,10 Metern aufgeständert werden sollen.
Damit bietet das EEG eine verlässliche Grundlage, die es Investoren ermöglicht, Agri-PV-Anlagen mit der notwendigen Rechtssicherheit zu planen und realisieren.